Eine Ökonomie der Verbundenheit, des Schenkens und der Freiheit
- Michi
- 22. März
- 3 Min. Lesezeit
Ich träume von einer Welt, die nicht länger auf Konkurrenz, Wachstumszwang und Profitmaximierung basiert, sondern auf Verbindung, Fülle und einem tiefen Vertrauen ins Leben. Eine Welt, in der sich Ökonomie nicht um die Anhäufung von Geld dreht, sondern um das, was wirklich zählt: Beziehungen, Fürsorge, Gemeinschaft, Sinn. Eine Welt, in der Geben Freude macht und niemand Angst haben muss, zu kurz zu kommen.
Wenn ich an die Zukunft denke, die ich mir wünsche, dann sehe ich eine Ökonomie, die sich an natürlichen Kreisläufen orientiert. Eine, die nicht nur menschliche Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt, sondern auch die der Erde. Es gibt bereits heute Menschen, die solche Visionen nicht nur träumen, sondern leben. Ich möchte fünf wirtschaftliche Ansätze vorstellen, die für mich inspirierend sind und Wege in eine solche Welt aufzeigen:
1. Die anarchistische Ökonomie – Wirtschaft ohne Herrschaft
Anarchie wird oft missverstanden. Es geht dabei nicht um Chaos, sondern um eine Ordnung, die sich aus Freiheit und Selbstorganisation ergibt. Horst Stowasser beschreibt in seinem Buch Anarchie, wie eine herrschaftsfreie Ökonomie aussehen könnte. In dieser Welt gibt es keine Konzerne, keine Zentralbanken, keine Eliten, die über die Ressourcen der Welt bestimmen. Stattdessen sind es Netzwerke selbstverwalteter Kollektive, die kooperieren, Güter produzieren und verteilen – ohne Zwang, ohne Hierarchien. In vielen selbstorganisierten Projekten, von Gemeinschaftsgärten bis hin zu anarchistischen Kooperativen, wird dieses Modell schon heute gelebt. Es ist ein Wirtschaften, das auf Vertrauen, Solidarität und Eigenverantwortung basiert.
2. Die Ökonomie der Verbundenheit – Schenken als neue Währung
Charles Eisenstein spricht von einer "Ökonomie der Verbundenheit", in der wir uns wieder als Teil eines größeren Ganzen sehen – nicht getrennt von anderen Menschen und der Natur, sondern tief mit ihnen verbunden. In einer solchen Ökonomie ist Geben kein Verlust, sondern ein Ausdruck von Fülle. Geld verliert seine zentrale Bedeutung, weil das, was wirklich wertvoll ist – Vertrauen, Liebe, Wissen, Kreativität – nicht in Zahlen gemessen werden kann. Diese Vision erinnert an alte Schenkkulturen, in denen Menschen nicht für sich horteten, sondern gaben, weil sie wussten, dass das Leben sie ebenso beschenken würde.
3. Das buddhistische Dana-Prinzip – Wirtschaft als spirituelle Praxis
Dana bedeutet im Buddhismus "freigebiges Geben". Es ist ein Prinzip, das sich nicht nur auf Spenden bezieht, sondern auf eine grundsätzliche Haltung der Großzügigkeit. In einer Ökonomie, die auf Dana basiert, würde Arbeit nicht mehr nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage entlohnt, sondern nach dem, was Menschen bereit sind zu geben. Einige Meditationshäuser und spirituelle Lehrer arbeiten bereits so: Sie bieten ihre Dienste ohne feste Preise an und vertrauen darauf, dass Menschen aus Dankbarkeit freiwillig geben. Stellen wir uns eine Welt vor, in der alle so handeln würden!
4. Die Postwachstumsökonomie – Weniger ist mehr
Wir leben in einer Welt, in der Wirtschaftswachstum als ultimatives Ziel gilt. Doch immer mehr Menschen erkennen, dass unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten unmöglich ist. Die Postwachstumsökonomie fordert einen grundlegenden Wandel: weniger Konsum, mehr Selbstversorgung, regionale Kreisläufe statt globaler Abhängigkeiten. Es geht darum, unser Wirtschaften wieder dem Leben unterzuordnen – und nicht umgekehrt. Es geht um Suffizienz – die Kunst, mit dem auszukommen, was genug ist.
5. Die Gemeinwohl-Ökonomie – Wirtschaft für das Gute
Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ), entwickelt von Christian Felber, stellt das Wohl aller ins Zentrum des Wirtschaftens. Unternehmen werden nicht mehr nur nach Profit bewertet, sondern danach, wie sehr sie zum Gemeinwohl beitragen. Faktoren wie Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit und Mitbestimmung zählen mehr als Gewinnmaximierung. Statt Konkurrenz fördert die GWÖ Kooperation: Firmen arbeiten zusammen, teilen Wissen und Ressourcen, statt sich gegenseitig auszubooten. In vielen Städten gibt es bereits Unternehmen, Kommunen und Organisationen, die nach den Prinzipien der Gemeinwohl-Ökonomie arbeiten und zeigen, dass ein anderes Wirtschaften möglich ist.
Ein neuer Weg: Zurück zu den Schenkkulturen
All diese Ansätze haben eines gemeinsam: Sie führen uns zurück zu etwas sehr Altem. Schon vor dem Aufstieg des Kapitalismus lebten viele Kulturen nach Prinzipien des Schenkens, der Verbundenheit und der Selbstorganisation. Die Wildnispädagogik erinnert uns daran, dass die Natur uns alles gibt, was wir brauchen – ohne Rechnungen, ohne Verträge. Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften lebten in einer Welt, in der Besitz oft geteilt wurde, weil es das Überleben sicherte.
Vielleicht ist der nächste Schritt also nicht "Fortschritt" im herkömmlichen Sinne, sondern ein Erinnern. Ein Rückbesinnen auf das, was wirklich zählt. Eine Welt, in der wir geben, weil wir wissen, dass es uns alle reicher macht. Eine Welt, in der wir frei sind, weil niemand mehr Angst hat, zu wenig zu haben.
Ich glaube daran, dass diese Welt möglich ist. Sie beginnt mit uns – mit unseren Entscheidungen, mit der Art, wie wir leben, schenken und wirtschaften.
Möge sie wachsen.
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